Der Strohhäischer
Die Geschichte des Strohhäischers
Natürlich geht es hier um das Heischen, also Betteln von Stroh. Aber warum und wann haben die Laenschelder bei ihren Nachbarn in den umliegenden Dörfern um Stroh betteln müssen?
Sicherlich hat es in der guten alten Zeit, die eben nicht immer eine gute war, auch mal schlechte Jahre gegeben. Und so wurde hier gerne und glaubwürdig erzählt, wir waren damals so arm, dass wir sogar Stroh in den Nachbardörfern erbetteln, also heischen mussten. Die haben uns dann bis auf den heutigen Tag die Strohhäischer gerufen, und das wohl mehr zum Spaß und zum Necken.
Soweit die seit Generationen überlieferte Interpretation für den Spottnamen Strohhäischer. Die anderen Dörfler im Amt haben allerdings auch ihre Spottnamen seit alters her: Da gibt es die Wehrshäuser Lensebiddel, die Schenksolzer Saandhoase oder die Scholbekloapper von Oberlengsfeld, um nur einige zu nennen.
Andererseits wurden die Laenschelder Bauern in den letzten Jahrhunderten als durchweg wohlhabend beschrieben und da passt das Betteln von Stroh bei den Nachbarn, die in den schlechten Jahren wohl auch Mangel an Stroh hatten, nicht so recht ins Bild. Der Zweifel am Wahrheitsgehalt von den Stroh-heischenden-armen-Bauern von Schenklengsfeld war gelegt.
Beim Stöbern im Aktenverzeichnis des Hessischen Staatsarchivs in Marburg fand sich eines Tages eine Akte mit dem Titel: „Acta. Die zur Forstbereisung ausgeschriebnen Heu- und Strohlieferungen betreff. 1828-1829″. Beim Studium der 18 handgeschriebenen Blätter dieser Akte stellte sich heraus, dass der Kreisrat (heute Landrat) in Hersfeld im Mai 1828 den Bürgermeister von Schenklengsfeld aufforderte, für die Forstbereisung der herrschaftlichen Beamten im Amt Landeck Heu und Stroh (für die Pferde) bereit zu stellen. Heu und Stroh sollten, wie seit alters her üblich, von den Bauern der zum Amt gehörenden Dörfer nach Schenklengsfeld geliefert werden. Diese jahrzehntelange, vielleicht schon mehrere Jahrhunderte alte Praxis hat den Laenscheldern den Spottnamen Strohhäischer eingebracht. Den genauen Ablauf und das Ende dieser Abgabe von Heu und Stroh im Jahre 1829 können weiter unten in der kleinen Abhandlung „Der Strohhauscher – Ein Landecker Original zum Anfassen“ vom September 2000 nachgelesen werden.
Nachdem der historische Kern des Strohhäischers aufgedeckt war, reifte gegen Ende der 1990er Jahre im Vorstand des Heimatvereins Landeck 1953 e.V. der Plan, nach dem Vorbild anderer Gemeinden eine lebensgroße Bronze-Plastik an zentraler Stelle des Ortes auf zustellen. Aber wie sollte der Strohhäischer aussehen? Von Frau Maria Fischer in Oberlengsfeld war bekannt, dass sie nicht nur Geschirr, Vasen und Schmuckfiguren aus Ton formte und brannte, sondern auch kleine Figuren aus der Märchenwelt herstellte. Sie war es dann, die uns das erste Modell eines Stroh tragenden „erwachsenen Lausbuben“ nach ihren eigenen Vorstellungen kreierte, 23 cm groß. Weitere Entwürfe von Frau Fischer folgten, bis es schließlich zur Sache gehen musste, d.h. eine Firma für den Bronzeguss war zu finden. Die Angebote der Unternehmen lagen zwischen 43.000 und 48.000 DM, je nachdem, ob das lebensgroße Modell von uns mitgeliefert wurde oder nicht.
Durch einen Zufall kamen wir mit dem Bildhauer Herbert Holzheimer aus Wildflecken-Langenleiten zusammen. Er machte uns ein günstiges Angebot über 28.000 DM, das Entwurf, Modell und Bronzeguss beinhaltete. Ende Januar 2001 besichtigten Karl und Liesel Honikel, Frau Maria Fischer und der damalige Ortsvorsteher Walter Licht das Atelier in Langenleiten. Herr Holzheimer präsentierte uns einen Entwurf in einem lebensgroßen Modell, das uns – nach Berücksichtigung kleinerer Wünsche – sehr gefiel. Wir gaben Herrn Holzheimer den Auftrag und er sagte uns die Lieferung der Skulptur bis Anfang Mai 2001 zu. Die Finanzierungsfrage war dann erfreulich schnell geklärt: Es gab zum eigens angesparten Kapital des Heimatvereins Spenden und Zuschüsse, die über ein Treuhandkonto verwaltet und für die Strohhäischer-Plastik ausgegeben wurden.
Mit dem Gemeindevorstand hatten wir zwischenzeitlich auch den Standort bestimmt. Zur Wahl standen zwei Plätze, am so genannten HydePark gegenüber dem Rathaus und an der Linde. Letztlich erhielt der Standort gegenüber dem Rathaus an der Ecke Landecker Straße und Rathaustraße den Vorzug, weil der in Bronze gegossene Strohhäischer hier eine größere Öffentlichkeit hat. Zu seinen Füßen wurde eine Platte mit dem nötigen Text montiert, flankiert von zwei Kästen mit Blumen. Ein Strahler am Rathaus lässt ihn auch nachts nicht alleine und so ist er ständig präsent, mit festem Blick auf das Rathaus. Wenn er vielleicht auch nicht ein Prachtexemplar an Schönheit darstellt, so ist er inzwischen doch Teil unserer Dorfkultur geworden und gibt einem kleinen Abschnitt unserer Geschichte ein Gesicht – im wahrsten Sinne des Wortes!
(Karl Honikel, 1. Vors. Heimatverein Landeck 1953 e.V. Schenklengsfeld, 03/2012)
Aus der Ansprache des 1. Vors. des Heimatvereins, Karl Honikel, am 20. Mai 2001:
Es war genau 10 Uhr 35 am letzten Freitag, als der Strohhäischer hier fertig aufgestellt stand. Und schon kam die Frage einer zufällig vorbeikommenden Bürgerin: Baremm is där Strohhäischer kei Frau?
Nun, diese höchst emanzipatorische Frage ist nicht unberechtigt, eine zufrieden stellende Antwort nicht einfach. Aber unser Mann hier kann ja noch heiraten, dann steht vielleicht eines Tages auch eine Frau da.
Die nächste Frage wurde uns hier um 11 Uhr 10 gestellt: Baremm hott där Strohhäischer kei Mutz im Mull? Darauf kann man eigentlich nur sagen, wer Stroh nach Laenscheld bringt, soll nicht mit dem Feuer spielen, also keine Pfeife rauchen!
Jetzt aber mal etwas ernsthafter: Der Strohhäischer soll daran erinnern, dass es hier auch mal andere Zeiten gab, Zeiten, die gern die guten, alten genannt werden, aber mit den heutigen nicht zu vergleichen sind. Vor 200 Jahren gab es noch viele ungesetzliche Abgaben und Hand- und Spanndienste, die bei der einen oder anderen Gelegenheit von der Bevölkerung verlangt wurden. Die Strohfuhren für die Forstbeamten mussten von den umliegenden Dörfern des Landecker Amtes seit eh und je, damals hieß es, seit Menschengedenken, nach Schenklengsfeld gebracht werden. Aber 1828 stellte man fest, dass es dafür keine gesetzliche Grundlage gab, also erhoben die Bauern und Bürgermeister Einspruch und die kurfürstliche Regierung schaffte die Strohfuhren ab. Der Strohhäischer ist uns aber hier im Dorf geblieben, bis heute, hier steht er!
Vor über 170 Jahren jedoch flatterte dem Bürgermeister ein Briefchen ins Haus, datiert am 31. Mai 1828 in Hersfeld:
An den Schultheißen Etner
zu Schenklengsfeld
Es ist beim hiesigen Kreisamte die Anzeige geschehen, daß eine Heu- und Strohlieferung von den Viertels-Schultheißen des Amts Landeck ausgeschrieben worden sei, wozu der Ort Ransbach 45 Pfd Heu u. ebensoviel Stroh zur Forstbereisung nach Schenklengsfeld liefern solle. Da nun zu wissen nötig ist, worauf sich eine solche Fourage-Lieferung gründe u. von wem solche vorgeschrieben worden sei, so haben Sie darüber nach genommener Rücksprache mit den Viertels-Schultheißen anher zu berichten.
Der Kreisrat Hartert
Der Laenschelder Bürgermeister Etner, er wohnte übrigens damals in einem Anwesen mitten im Ort, in dem heute der Optiker Gerlach sein Geschäft hat, antwortete schon wenige Tage später folgendermaßen:
Das Amt Landeck ist in vier Viertel geteilt. Das Fourage-Ausschreiben ist jedesmal vom Haupt-Schultheiß des Ortes Schenklengsfeld geschehen für die Herrn Forstbeamten. Worauf sich solches gründet, ist nicht zu bestimmen. Ich habe die Viertels-Schultheißen gefragt, die wissen nichts anderes als daß es von jeher ist geliefert worden. Ich wenigstens weiß solches von 50 Jahren her und habe es von meinen Vofahren gehört, daß Heu und Stroh und der hiesige Wirt jährlich 1 rthl. (=Reichstaler) Stallgeld von solchem erhält, welches das Amt liefern und bezahlen muß. Wenn uns ein Kurfürstliches Kreis-Amt könnte Erläuterung geben, um solches los zu werden, woher zu wünschen und bitten gefälligst eine Resolution.
Schenklengsfeld am 5 ten Juni 1828
Der Schultheiß Etner
Es ist zu vermuten, daß die Beschwerde über die Heu- und Strohlieferungen von Ransbach ausging und der Kreisrat, später hieß er dann Landrat, in Hersfeld keine Unterlagen zu diesem Vorgang hatte. Es war eben schon lange so Tradition, daß die kleinen Dörfer im Amt das Stroh für die Forstbeamten nach Laenscheld bringen mußten. Immerhin, auch der Haupt-Schultheiß Etner im Amtsort Schenklengsfeld wollte, daß das „Strohhäischen“ für die Förster aus Hersfeld eingestellt wurde.
Wie sind denn nun die Landecker Bauern die Heu- und Strohfuhren nach Schenklengsfeld los geworden? Da hatte der Kreisrat Hartert in Hersfeld aber noch einige Fragen. Mit Schreiben vom 6. Juni 1828 wünschte er weitere Auskünfte vom Schultheißen Etner. Er wollte wissen, wieviel das jährlich zu liefernde Heu- und Stroh-Quantum betrage und ob auch Hafer geliefert werde. Der Schultheiß antwortete in einem kurzen Brief an das Kurfürstliche Kreisamt:
Die Fourage vor (=für) die Herrn Forstbeamten bestehet in 90 Pfd. Heu und 6 bis 7 Schitling Stroh, wo der Schitling zu 14 bis 18 Pfd. wieget und jedes Mal im Jahr an den hiesigen Wirth 1 rthl. Stallgeld, da mögen nun die Forstbeamten so viel mal kommen als wie sie wollen, wird weiter kein Stallgeld bezahlt.
Schenklengsfeld am 24t. Juni 1828
Der Schultheiß Etner
Aus irgendeinem Grunde war Kreisrat Hartert mit diesen Antworten nicht zufrieden und richtete schon deshalb am 1.7.1828 an den „Hochlöblichen“ Rentmeister Reinhard in Schenklengsfeld die Bitte um Auskunft, was es wohl mit dieser Lieferung für eine Bewandtnis habe und worauf sich dieselbe gründe.
Sitz und Wohnung des damaligen Rentmeisters war die „Herrschaftliche Amt Rentherey“, also das Amtshaus, das heutige Wohnhaus der Familie Bock. Hier formulierte der herrschaftliche (kurfürstliche) Beamte folgenden Brief, der mit der damals üblichen Anrede begann:
Wohlgeborener und Hochgelehrter
insonders Hochgeehrtester
Herr Kreisrath
Auf Euer Wohlgeboren sehr verehrliches Schreiben vom 1 ten d.M. ermangele ich nicht wegen der von dem Amt Landeck jährlich bei der Forstbereisung an die Herrn Forstbeamten zu liefernden rauhen Fourage an 90 Pfd. Heu und 6 bis 7 Gebund Stroh und den an den Wirth dahier zu zahlenden 1 rth. Stallgeld, hiermit gehorsamst zu erwiedern: Daß jene Fourage von undenklichen Zeiten her bei der Forstbereisung alljährlich an die Herrn Forstbeamten unentgeldlich vom Amt Landeck geliefert und 1 Rthl. Stallgeld immer jährlich an den Wirth dahier für die Aufnahme der Pferde vom Amt Landeck bezahlt worden ist, und gründet sich diese Abgabe auf Observanz (=Gewohnheitsrecht).
In der vorzüglichen Hochachtung und wahren Verehrung verharrend
Schenklengsfeld
am 15 ten Julius 1828
Euer wohlgeboren
& gehorsamster Dr. (=Diener) Reinhard
Kreisrat Hartert erkundigte sich schließlich noch im Forstamt Schenklengsfeld, worauf ihm der Forstläufer mitteilte, der verstorbene Förster Wetterstein habe mal erwähnt, dass seit undenklichen Zeiten die Lieferungen an Heu und Stroh bei der jährlichen Forstbereisung von den hiesigen Gemeinden stattgefunden hätten. Und so schreibt er am 16.8. 1828 u.a.: „Die hiesigen Schultheißen haben die fraglichen Lieferungen ausgeschrieben (=verordnet, angefordert) und repartiert (=aufgeteilt). Nie habe ich gehört, daß die geringste Beschwerde oder Weigerung vorgefallen wäre. Schriftliche Verhandlungen finden sich in der hiesigen Förster-Repositur (=Aktenarchiv) nicht vor.“
Am 30.8.1828 schreibt Kreisrat Hartert an die Kurfürstliche Regierung der Provinz Fulda. Er erläutert zunächst den Sachverhalt und fragt dann, ob die Gemeinden des ehemaligen Amtes Landeck schuldig seien, die Heu- und Strohfuhren sowie den l Reichstaler Stallgeld bei der Forstbereisung liefern bzw. zahlen zu müssen.
Schon mit Schreiben vom 2. Sept. 1828 teilte die Provinzregierung in Fulda dem Kreisrat ihren „Beschluß“ bezüglich des „Strohhäischens“
im Landecker Amt mit.
Beschluß:
Da die fraglichen Heu- und Strohliefenmgen und die Entrichtung von 1 Rthl. Stallgeld an den Wirth zu Schenklengsjeld von
Seiten der Gemeinden des ehemaligen Amts Lcmdeck für die Forstbeamten, während der Forstbereisung nicht gesetzlich begründet erscheinen,
so hat das Kreisamt den Schultheißen der betreffenden Gemeinden bekannt zu machen, daß sie künftighin das bemerkte Heu und Stroh-Quantum sowie I Rthl. Stallgeld nicht mehr zu liefern und beziehungsweise zu bezahlen schuldig seyen. Die Akten gelangen zurück.
Unterschrift (unleserlich)
Der Kreisrat sandte sofort Abschriften an die Viertels-Schultheißen der betroffenen Gemeinden. Da werden sich die Landecker gefreut haben. Die einen, weil sie nun nicht mehr diese lästige Abgabe für die Forstbeamten leisten mußten; und die anderen, weil sie wohl hofften, nicht mehr als „Strohhäischer“ gehänselt zu werden.
Es fällt auch auf, dass mit der Verwaltungsreform im Kurfürstentum Hessen von 1821 die überlieferten zusätzlichen Abgaben, die aus den verschiedensten Anlässen zu leisten waren, abgeschafft werden sollten. Dass dies allerdings nicht so einfach war, zeigte sich auch hier. Offensichtlich hatte die Forstbehörde in Hersfeld Einspruch eingelegt, denn man wollte sich die kostenlosen Lieferungen nicht entgehen lassen. Und am 7.1.1829 schreibt die Regierung zu Fulda an das Kreisamt und verlangt, „in den Gemeinden alte Personen zu befragen, ob die Heu- und Strohlieferungen seither ohne Unterbrechung geschehen“ seien und ob es in den Gemeinde-Rechnungen Posten gäbe oder Quittungen, die diese Abgabe belegen könnten.
Der Bürgermeister von Schenklengsfeld berichtet nur wenig später dem Kreisrat, daß es im Ort keine alten Leute gäbe, die sich erinnern könnten, auch seien keine Rechnungen gefunden worden. Mit dieser Antwort dürfte der Kreisrat, der die Sache wohl abschließend klären wollte, nicht zufrieden gewesen sein. Einern Aktenvermerk ist zu entnehmen, daß Valten Daube auf Geheiß des Schultheißen Etner im Kreisamt erscheint und eine Aussage zu Protokoll gibt: Er sei 54 Jahre alt, schon drei mal habe er seit 1805 das Gemeinde-Wirtshaus gepachtet. Er wisse, daß er zur Forstbereisung für die Pferde jährlich 1 Thaler erhalten habe, auch daß Heu und Stroh geliefert worden sei.
Das Gemeinde-Wirtshaus, von dem hier die Rede ist, war das heutige Gasthaus Geheb an der Linde. Nach Konrad Schüler (Das Amt Landeck und seine Bewohner, Seite 74f.) besaß die Gemeinde Schenklengsfeld mit diesem Gebäude ein Rathaus, in dessen Erdgeschoß sich die Gemeindeschänke befand, während das obere Stockwerk die Gemeinde-Dienstzimmer aufnahm. In den späteren Jahrzehnten hatten die Bürgermeister ihr Dienstzimmer in ihrem Wohnhaus. Als Beispiel sei hier das Wohnhaus von Bürgermeister Christian Rüger (1845 – 1919) am Weinberg aufgeführt, das im Volksmund heute noch „Bürgermeisters“ genannt wird.
Fast ein Jahr war nun vergangen, daß die Frage der Heu- und Strohlieferungen für die Forstbeamten aus Anlaß der Forstbereisung im Amt Landeck die Verwaltungen in Schenklengsfeld, Hersfeld und Fulda beschäftigte. Eine gesetzliche Grundlage für diese Lieferungen, die offensichtlich „seit Menschengedenken“ als Naturalabgabe verlangt werden konnte, war nicht zu finden.
Am 22. Mai 1829 schrieb Bürgermeister Etner wieder einen Brief an das Kürfürstliche Kreisamt in Hersfeld und führte dabei unter anderem aus:
Unser ehemaliges Amt Landeck ist in vier Viertel geteilt, als erstes Viertel Schenklengsfeld, Oberlengsfeld, Unterweisenborn; zweites Viertel Wehrshausen mit beiden Höfen Thalhausen und Rimerode, Ransbach; drittes Viertel Hilmes, Motzfeld, Ausbach, Lampertsfeld; viertes Viertel Conrode, Landershausen, Wüstfeld, Dinkelrode, Malkomes, Schenksolz. Die vier Viertel Schultheißen sind Schenklengsfeld, Wehrshausen, Hilmes und Conrode.
Dem Schreiben ist ferner zu entnehmen, daß der Schenklengsfelder Schultheiß die Beschaffung regelte, das heißt, er schrieb an die jeweiligen Viertels-Schultheißen, die das benötigte Heu und Stroh in ihren Dörfern zu besorgen hatten und nach Schenklengsfeld bringen mußten. Jedes Jahr war ein anderes Viertel mit der Lieferung an der Reihe. Das Stallgeld von einem Thaler dagegen wurde auf die Amtsrechnung gesetzt, also aus der Amtskasse an den Wirt bezahlt.
Aus diesem Brief erfahren wir, welche Orte vor 1821 zum „ehemaligen“ Amt Landeck gehörten. Das waren neben den heute zur Gemeinde Schenklengsfeld gehörenden Ortsteilen (außer Wippershain natürlich) noch Ransbach, Motzfeld und Ausbach. Die Neugliederung Kurhessens in 1821 war nämlich eine Verwaltungs- und Gebietsreform, denn Justiz und Verwaltung wurden getrennt und die Dörfer unserer Region waren nun selbständige Gemeinden im neu gegründeten Kreis Hersfeld. Durch die Neugliederung wurde das bisher selbständige Amt Landeck mit dem Amt Friedewald zum (Justiz-)Amt Friedewald zusammengefaßt. Denn nur so ist zu verstehen, daß um 1828/29 vom „ehemaligen“ Amt Landeck gesprochen wird.
Eine rechtliche Grundlage für die jährlich nach Schenklengsfeld zu liefernden Heu- und Strohfuhren war bei den übergeordneten Behörden und auch bei der kurhessischen Regierung in Kassel offensichtlich nicht gefunden worden. Im Juni 1829 erhielt der Bürgermeister von Schenklengsfeld schließlich vom Kreisrat in Hersfeld die Abschrift eines Schreibens von der Provinzregierung in Fulda mit folgendem Inhalt:
Fulda, den 4. Juni 1829
Wir sind von der Kurfürstl. Finanzkammer in Kassel mittelst Schreiben vom 25. l. M in Kenntnis gesetzt worden, daß vom Kurfürstl. Finanzministerium durch Beschluß vom 23. April d. J. bestimmt worden ist, daß von der Anforderung, die früher von den Gemeinden des ehemaligen Amtes Landeck an die Forstbeamten bei Gelegenheit der jährlichen Forstbereisung gelieferten Fourage und des an den Wirt zu Schenklengsfeld bezahlten Stallgeldes abzustehen sei. Wir machen Ihnen dieses mit Beziehung auf die Ihnen zugegangene Verfügung vom 20. März l.J Nr. 456 E.P. bekannt und fügen die mit Ihrem Bericht vom 2. l. M eingesandten Akten und beide Rechnungen wieder zu.
Kurf. Reg. der Provinz Fulda (Hanstein)
Mit diesem Schriftstück enden die Akten mit dem Titel: „Acta. Die zur Forstbereisung ausgeschriebenen Heu- und Strohlieferungen betreff. 1828 – 1829“ im Hess. Staatsarchiv Marburg. Unter der Nr. 7254 im Bestand 180 LA Hersfeld werden in dieser Akte 18 handgeschriebene Blätter aufbewahrt.
Aus heutiger Sicht mögen die damals jährlich zu liefernden Heu- und Strohmengen gering erscheinen, sie sind aber im Zusammenhang mit den vielen anderen Geld- und Sachleistungen zu sehen, die aus den verschiedensten Anlässen zu entrichten waren. Vor allem ist deutlich geworden, dass sowohl die Bevölkerung als auch die „Obrigkeit“ bemüht waren, gesetzlich nicht begründbare Abgaben abzuschaffen. Dies dürfte auch dem „Geist“ der Verwaltungsreform von 1821 entsprochen haben, die für jedermann einsichtige gesetzliche Regelungen einführen wollte.
Die Heu- und Strohfuhren nach Schenklengsfeld wurden also 1828/29 eingestellt, der Spitzname „Strohhäischer“ ist allerdings bis auf den heutigen Tag gebräuchlich. Den Bewohnern der umliegenden Dörfer, die diesen Spitznamen gerne für die Laenschelder benutzen, sollte dabei bewußt sein, daß sie selbst einen eigenen, oftmals auch nicht sehr schmeichelhaften Spitznamen besitzen. Doch wie lautet eine alte Volksweisheit: Was sich neckt, das …
(September 2000, Karl Honikel)
Links: Ein erstes Modell wurde 1994 von Frau Maria Fischer aus Oberlengsfeld angefertigt.
Rechts: Der 1. Vorsitzende des Heimatvereins, Karl Honikel, präsentiert stolz die Plastik auf der Jahreshauptversammlung.
In den folgenden Jahren wurden verschiedene Angebote für die Bronzeplastik des Strohhäischers eingeholt. Hier einige Auszüge aus dem Schriftverkehr: